Was ich in Klimaschutz-Diskussionen wissen sollte
Klimaschutz ist ein Menschenrecht
14.01.2025
Wir greifen hier einige Aspekte auf, die in Diskussionen zum Thema Klimaschutz häufig genannt werden,
Können die Ursachen des Klimawandels konkreten Schäden zugeordnet werden?
Ja, mit der Attributionsforschung wird die wissenschaftliche Beweiskette immer enger in Bezug auf die versäumte Ursachenvermeidung und die damit verbundenen Schäden durch Extremwetterereignisse, die dem durch den Menschen beschleunigten Klimawandel zuzuordnen sind. Die Wahrscheinlichkeit, die Regierung wegen fehlender Schutzmaßnahmen verklagen zu können wird mit ebenjener enger werdenden Beweiskette immer größer. Egal, welche Parteien die Regierung bilden.
Gibt es einen wissenschaftlichen Konsens darüber, dass der Klimawandel "menschengemacht" ist?
Ja. "Eine Überprüfung wissenschaftlicher Arbeiten aus dem Jahr 2019 ergab, dass der Konsens über die menschliche Ursache des Klimawandels bei 100 % liegt, und eine Studie aus dem Jahr 2021 kam zu dem Schluss, dass sich über 99 % der wissenschaftlichen Arbeiten bzgl. des menschengemachten Klimawandels einig sind. Der kleine Prozentsatz der Studien, die nicht mit dem Konsens übereinstimmen, enthält häufig Fehler oder kann nicht reproduziert werden."
Warum wird die Verzögerung der Energiewende langfristig unverhältnismäßig teuer werden?
“Den Umbau des Energiesystems zu verschleppen, kann hingegen teuer werden: steigende Preise für CO2 -Zertifikate im europäischen Emissionshandel könnten die Stromerzeugung mit Kohle schon mit Beginn der 2030er Jahre unrentabel machen. Und auch global gesehen wird bereits seit einigen Jahren mehr Geld in erneuerbare Energien, Wärmepumpen, Elektroautos und andere saubere Energietechnologien investiert als in fossile Energie. Am sinnvollsten ist es also, jetzt mit größtmöglichem Tempo diejenigen Technologien auszubauen, die heute bereits verfügbar und erprobt sind, also Windkraft- und Photovoltaikanlagen, und diejenigen weiterzuentwickeln, die zusätzlich gebraucht werden, also alles rund um Wasserstoff, Elektrifizierung und Flexibilisierung. Damit stehen nach aktuellem Wissen die Chancen am besten, dass Deutschland in den kommenden 22 Jahren tatsächlich Klimaneutralität erreichen kann.”
Wie schätzt der Düsseldorfer IHK-Präsident Andreas Schmitz die Notwendigkeit der Energiewende ein?
“Die Verzögerung oder Unterbrechung von Maßnahmen im Bereich der Energiepolitik, der digitalen Infrastruktur und der Investitionsförderung wäre eine schwere Bürde für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und die Sicherung von Arbeitsplätzen vor Ort.” “Dies erfordert verstärkte Investitionen in erneuerbare Energien sowie Maßnahmen, um die Energieeffizienz in der Industrie zu steigern. Zudem sind Entlastungen bei den Energiekosten für besonders energieintensive Unternehmen notwendig.”
War das "Heizungsgesetz" unnötig?
Nein, denn ohne schnelles Umsteuern im Bereich der Gebäudewärme kann Deutschland weder die Klimaziele erreichen noch die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen rasch reduzieren.
Wie groß ist die Unterstützung der deutschen Bevölkerung in Bezug auf Klimaschutzmaßnahmen?
Denn es “wollen viele Menschen, dass sich was ändert: Mehr als 60 Prozent der Deutschen wollen ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen. Mehr als 60 Prozent der Deutschen sind für die Wiedereinführung der Vermögensteuer, sogar 55 Prozent der CDU-Wählerinnen und Wähler sind dafür. Auch wären viele Menschen bereit, mehr Geld für Klimaschutzmaßnahmen auszugeben, solange sie wirksam und gerecht sind.”
Wie kann die Akzeptanz für Windräder gesteigert werden?
Das britische Energieunternehmen Octopus Energy schließt seine Kunden direkt an Windräder an und senkt die Strompreise, wenn der Wind kräftig bläst. “In Großbritannien haben wir bereits fünf Windräder und sehen in Umfragen, dass die Akzeptanz für lokale Windkraft um 80 Prozent steigt, wenn die Menschen direkt daran angebunden sind. Das ist das Problem dieser Energierevolution: Es gibt wahnsinnig viele Vorteile, die nicht bei den Kunden ankommen. Häufig werden sie nur an den Kosten für den Infrastrukturausbau beteiligt. In Großbritannien beschweren sich jetzt aber die Nachbardörfer außerhalb des Windrad-Radius', warum wir bei ihnen noch keines gebaut haben.”
Warum wurden die letzten Jahre in Bezug auf Reformen nicht genutzt?
Obwohl die deutsche Bevölkerung Klimaschutzmaßnahmen befürwortet, waren die letzten Jahre von einer Politik geprägt, die ihre Wähler bloß nicht verschrecken sollte. Die Kosten und die Reformen für die Digitalisierung, für Klimaschutz, eine funktionierende Infrastruktur, ein gerechtes Bildungssystem oder eine sozial gerechte Rente wurden immer wieder in die Zukunft verschoben.
Warum muss die Schuldenbremse in Bezug auf den Klimaschutz reformiert werden?
IW-Direktor Michael Hüther beschreibt zwar die Herausforderungen, weist aber darauf hin, dass wir nach wie vor handlungsfähig sind. “Vor uns liegen gewaltige Aufgaben. Wir wollen bis 2045 klimaneutral sein und müssen dafür eine prägende Grundlage unserer Volkswirtschaft komplett umstellen, nämlich die fossile Energieversorgung. (...) Wir haben 20 Jahre lang mit unseren öffentlichen Investitionen unter dem Durchschnitt der Industrienationen gelegen. Das rächt sich jetzt. (...) Die aktuelle Diskussion zur Schuldenbremse ist sachlich kaum noch zu begründen und eher ideologisch zu erklären. Es ist nicht nachvollziehbar, dass diese einmal gefundene Lösung für alle Zeiten die einzig mögliche sein soll. (...) wenn man einen Kredit aufnimmt, um ein Eigenheim zu kaufen, das einen Gegenwert hat, der sich über die Zeit entwickelt und der Altersvorsorge dient. So ähnlich ist es auch, wenn der Staat in die Infrastruktur investiert.”
Welche weiteren Möglichkeiten gäbe es, Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren?
“Es gibt weltweit rund 3000 Milliardäre. Damit könnte die Steuer jährlich etwa zusätzliche 250 Milliarden US-Dollar in die Staatskassen spülen. Würde sie auf Hundertermillionäre ausgeweitet, kämen weitere 100 bis 140 Milliarden Dollar dazu. Die zusätzlichen Einnahmen könnten dann für soziale Ziele eingesetzt werden, um Kindern zum Beispiel mehr Bildung zu bieten oder die Klimakrise sozial gerecht zu bewältigen.”
Wie haben sich Lobbyverbände der Automobilindustrie selbst geschadet?
“Das Spannende ist, dass immer mehr Unternehmen feststellen, wie kontraproduktiv Lobbyverbände sein können, wenn sie die Transformation verhindern. Schauen Sie auf unsere Automobilindustrie. Die setzt jetzt wieder auf den Verbrenner. Das ist fatal, ein absoluter Rückschritt. (...) denn das Lobbyieren bewahrt alte Strukturen. Das schadet dem Automobilstandort Deutschland massiv. (...) Herr Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat jüngst gesagt: Allein werden wir unsere Ziele nicht einhalten; preiswerte Elektro-Kleinwagen füllen in Europa eine Nachfragelücke. Wir sind im Bereich der Elektromobilität mittlerweile auf China angewiesen. Für mich ist das ein Versagen, das da stattgefunden hat. Das hätte so nicht passieren dürfen.”
Warum ist die Krise der Automobilindustrie selbst verschuldet?
“Die deutschen Hersteller hätten seit Langem wissen können, dass die Zukunft in Elektroautos liegt. Die Klimaziele gibt es auch nicht erst seit gestern. Stattdessen hat die Industrie zu viel Gewinne ausgeschüttet und zu wenig investiert, und das in alte Technologie. Und wo bitte sind die kleinen, kostengünstigen Elektroautos aus deutscher Produktion? Es gibt Leute, die sagen, noch ist es nicht zu spät, fünf Jahre bleiben noch. Wenn die Autoindustrie jetzt den Hebel umlegt, schafft sie es noch. Das hängt dann aber auch ein Stück weit an der nächsten Bundesregierung.”
Wie hat die Gaslobby die Energiewende verzögert?
“Das Grundprinzip solcher Berechnungen kennen wir schon aus der letzten Solar-Boomzeit vor gut 10 Jahren. Damals gelang es, der Politik weiszumachen, dass Gas eine nachhaltige Zukunft als ´Brückentechnologie´ habe. Der einfache Trick: Erst werden die Kosten des Ausbaus der erneuerbaren Energien samt Netzen massiv überschätzt. Dann werden Kosten von Gaskraftwerken künstlich klein gerechnet. Die geostrategischen Risiken werden ausgeklammert, die Kosten des Klimawandels sowieso. (...) Damit uns dieser simple Logik-Sidestep nicht auffällt, wird die ganze Gaslobby-Inszenierung durch angebliche Technologie-Offenheit erweitert und eine bunte Wasserstoff-Ablenkung inszeniert (...) ´Wasserstoff-ready´ heißt das neue Zauberwort. Das viele schöne Bunt verschleiert leider, dass nur Grün grün ist. Heißt: Nur grüner Wasserstoff wird aus erneuerbaren Energien hergestellt und stößt so gut wie keine klimaschädlichen Emissionen aus. Die andersfarbigen Wasserstoffe werden aus Erdgas, Kohle, Öl, Atomenergie oder anderen nicht -erneuerbaren Quellen hergestellt.”
Wie wird die Energiewende Deutschlands im Ausland bewertet?
An der UN-Konferenz in Baku stellte Deutschlands Sondergesandte Jennifer Morgan fest, dass Deutschland als verlässlicher Partner in Bezug auf Klimaschutz-Maßnahmen bewertet und geschätzt wird. "Für mich ist wichtig, was die Wissenschaft sagt, was das Verfassungsgericht gesagt hat, und auch was unsere Wirtschaft fordert. Natürlich müssen wir schauen, was zu leisten ist. Aber wir reden zu wenig über die Jobs, die schon durch Erneuerbare entstanden sind. Jeder, der sich das genauer ansieht, wird sehen: Dieser Weg ist vernünftig und macht ökonomisch Sinn. Und auch die nächste Bundesregierung wird am Ende schauen, was Deutschland wirtschaftlich für die Zukunft voranbringt.”
Warum sollte eine zukunftsgerichtete Politik umgesetzt werden?
Strukturwandel hat es schon immer gegeben. Die fortschreitende weltweite Vernetzung von Wirtschaft, Politik, Kultur und Kommunikation, eine Dienstleistungswirtschaft, in der die Beschäftigung in wissensintensiven Dienstleistungsbranchen in Deutschland zunimmt, geopolitische Verschiebungen, das Sicherstellen von Klimaschutzmassnahmen, der demografische Wandel und die Digitalisierung verändern die Wertschöpfungsketten und ganze Branchenstrukturen. Hier könnten Wettbewerbsvorteile erarbeitet werden. Es sollte daher "nicht versucht werden, Veränderungen durch strukturkonservierende Politik zu verzögern. Ziel sollte es sein, den Wandel proaktiv zu gestalten.“